GesellschaftUrban Exploration

Henriettes Erbe / House of Wheelchairs

Die Geschichte dieses Ortes beginnt eigentlich schon im Jahre 1115. Doch die lückenhafte Dokumentation der deutschen Adelshäuser und deren Affinität ihre Kinder und Kindeskinder immer nach sich selbst oder ähnlich zu benennen, macht es unglaublich schwer und frustrierend die Geschichte von da an auf zu arbeiten. Mal abgesehen davon, dass das Interesse der Leserschaft nicht unbedingt der Geschichte der Schlacht am Welfesholz oder der Grafschaft Mansfeld gilt.
Dennoch möchte ich auch diesen Ort geschichtlich etwas beleuchten:

Ein kurzer Abriss der Geschichte


Ich beginne im Jahr 1616 (also vor gar nicht all zu langer Zeit) als die Mansfelder Grafen den Gutshof (auf dem der Lostplace einmal stehen wird) wohl aufgrund hoher Verschuldung aufgeben mussten und an die Herren von Bülow verkauften.
Hier befindet sich schon die erste nicht rekonstruierbare Lücke in der Geschichte: Zwar besaßen die Herren von Bülow nachweislich den Gutshof bis einschließlich 1783, allerdings sind die einzelnen Eigentumsnachweise in den Jahren 1616 bis 1783 für mich nicht rekonstruierbar. Ebenfalls schwierig wird es in den Jahren 1783 bis 1799.
Denn: der königlich-preußische Major Johann Ludwig von Bülow war 1783 der letzte Besitzer des Hofes. In diesem Jahr wurde seine alleinige Erbin Luise Ernestine Henriette geboren. Soweit ich das recherchieren konnte, starb Johann Ludwig von Bülow 1799. Exakt in dem Jahr, in dem seine Tochter den damaligen Kommunalpolitiker Ernst Wilhelm Friedrich von Kerssenbrock heiratete. Ein paar Zufälle zu viel für meinen Geschmack weshalb ich die Faktenlage in dem Falle für schwankend halte. Nicht schwankend jedoch war die Ehe von Luise und Wilhelm, denn diese brachte den noch heute zu bewundernden Wandel auf dem Gutshof. Nicht nur, dass es der Beginn der kurzen aber nachhaltigen Ära der Kerssenbrocks war, sondern entstand in dieser Zeit, nämlich von 1801 bis 1805, auch die Residenz, welche uns heute, über 200 Jahre später, als „Henriettes Erbe“ bekannt ist.

Wie auf dem Bild, welches aus der Sammlung Alexander Dunckers stammt, zu erkennen ist, besaß das Schloss bereits um 1860 herum die beidseitige Freitreppe mit den Säulen welche auch heute noch die Front des Schlosses ziert. Eine Form des Klassizistischen Baustils.

 

 

Gartenansicht
Eingangsbereich – heute

 

 

 

 

 

 

 

 

Ebenfalls angeschlossen an das Schloss war eine riesige Parkanlage.
Das Anwesen blieb über zwei Generationen im Besitz der Kerssenbrocks. Über den Sohn Bernhard Simon des 1827 verstorbenen Wilhelm von Kerssenbrock ging das Schloss an Bodo von Kerssenbrock, welcher 1879 starb. Merkwürdig ist, dass dieser bei meiner Ahnenforschung überhaupt nicht aufgetaucht ist und es generell keine Informationen über diesen Mann zu geben scheint. Ein Beweis seiner tatsächlichen Existenz fand ich lediglich in Form von Briefen, welche im Landesarchiv Sachsen-Anhalt liegen.
Danach ging das Eigentum an Adolf Theodor von Krosigk, der Mann von Bodos Schwester Antonie Klara. Folglich begann die Ära der Freiherren Krosigk mit Adolf Theodor bis 1906 zu Bernhard von Krosigk bis 1934 und letztendlich zu Bernhard Günther von Krosigk welcher 1948 in Buchenwald verstarb. Die Familie von Krosigks wurden nach dem zweiten Weltkrieg enteignet und das Herrenhaus wurde zu einem Altenpflegeheim umgebaut und bis 1990 als solches betrieben. Hieraus ergibt sich auch der zweite Name unter dem der Lostplace nicht grade unbekannt ist: „House of Wheelchairs“. Wie so oft werden Einrichtungen wenn sie geschlossen oder verlassen werden geradezu fluchtartig verlassen, weshalb meist noch jede Menge Zeug im Haus verbleibt. So wie in diesem Fall die Rollstühle. Diese fristen ihr ödes Dasein innerhalb der Mauern seit 1990 mal hier und mal da.

Der Schatz der Krosigks

Die Krosigks schienen zum Ende des zweiten Weltkrieges gewusst bzw. geahnt haben, dass ihnen die Enteignung ihres Anwesens droht. Allerdings mit dem Gedanken, oder viel mehr der Hoffnung, es nach dem Ende des Krieges zurück zu erhalten. Unwissend wie es der wohlhabenden Familie bis dahin ergeht, wollten sie sich eine finanzielle Versicherung für die Zukunft schaffen. Das ist zumindest eine denkbare Vermutung, weshalb die Familie ihr kostbares Tafelsilber und andere wertvolle Gegenstände aus dem Familienbesitz in ein Geheimes Zimmer im Keller einmauern ließen.
Die Nachkriegsjahre brachten erneut einen Wandel auf dem Anwesen. Es entstand ein Altenheim und der Schatz geriet unentdeckt in Vergessenheit. Zumindest für die nächsten 15 oder 16 Jahre, so genau kann sich der damalige Mitarbeiter der SED-Kreisleitung knapp 50 Jahre später nicht mehr erinnern. Fakt ist jedoch, dass damals, Anfang der 1960er Jahre im Rahmen von Arbeiten an den Wasserleitungen die Wand zum verborgenem Zimmer eingestürzt ist und somit der Schatz der Krosigks zum Vorschein kam. Wenn auch nur für Kurze Zeit.

„Ich weiß gar nicht, wer uns danach angerufen hat. Ich bin dann mit dem Sekretär für Landwirtschaft nach […] gefahren und habe die Sachen gesehen. Sie waren auf dem Fußboden ausgebreitet und in Zeitungen vom Januar 1945 eingewickelt. Da waren silberne Teller dabei, so groß wie Kuchenbleche, Kandelaber und noch viel mehr.“  – berichtet der Mann, der nicht öffentlich genannt werden möchte. Nachdem sich noch am selben Tag die Staatssicherheit dem Fall annahm und alle beteiligten zur Verschwiegenheit mahnte, hieß es sie würden den Fund ins Landesmuseum nach Halle bringen. Doch unterwegs dorthin scheinen die wertvollen Gegenstände alle in ein privates Archiv gewandert zu sein. Denn im Landesmuseum kam damals nie etwas an. Das versicherte auch die Pressestelle des Museums die für diesen Vorgang in der entsprechenden Akte keine Hinweise auf den damaligen Fund finden kann.
Das Schloss blieb bis 1990 ein Altenpflegeheim und steht seitdem leer.


Verwendete Quellen:
Wikipedia
www.stammreihen.de
www.mz-web.de (hier ein Link zum Artikel des Schatzes)
Landesarchiv Sachsen-Anhalt
geneanet.org
Buch: Burgen und Schlösser der Harzregion Band 5 – von Wolfgang Braun und Bernd Sternal


 

Spuren einer einst pompösen Vergangenheit…

Es ist ein grauer kalter Tag an dem ich das Gelände betrete. Alles wirkt alt und verlassen, doch etwas passt nicht ins Bild während ich die große Einfahrt entlang schreite.
Links von mir stehen zwei alte Gebäude von denen ich zunächst annahm sie seien der Lostplace. Doch bei genauerem Betrachten fallen mir Bänke vor einer sauber verglasten Tür auf.
Zu neu um verlassen zu sein. Die Hecken und Sträucher um mich herum sind nicht so verwildert wie ich es erwartet hatte. Rechts von mir stehen Bäume auf einer kleinen Rasenfläche die bedeckt mit Laub ist. Ein kleiner Zaun entlang der Rasenfläche lässt mich aufmerksam werden. Bin ich hier richtig? Und hat sich da gerade etwas bewegt im Laub? Bei genauerem Hinsehen erkenne ich im abgezäunten Bereich ein paar Meerschweinchen, viele sogar. Irgendwie passt das alles nicht zusammen. Doch die Neugierde treibt mich voran.
Der Weg führt mich weiter an alten aber nicht verlassenen Gebäuden vorbei und letztendlich taucht es doch vor mir auf.

Ich stehe vor einem Gebäude an dem Ranken die Fassade hinauf klettern und sich wie Finger um das Haus legen. Die imposante Freitreppe führt hinauf zum Eingangsbereich mit den vier markanten Säulen. Die Tür ist verschlossen wie auch die Fenster und Kellerschächte. Doch weiter herum ums Haus steht ein Stuhl einladend unter einem offenem Fenster. Von außen ist zu erkennen, das dieser Teil des Hauses erst später angebaut wurde. Drinnen zeigt sich, dass es ein nachträglich eingebauter Fahrstuhlschacht ist.
Was ich als erstes sehe lässt mein Herz höher schlagen: Eine wunderbare alte, aber gut
erhaltene, holzvertäfelte Treppe. Hinter einer ebenfalls vertäfelten Wand verbirgt sich der Sicherungskasten dessen Sicherungen und Stromzähler komplett fehlten, nicht jedoch die Kabel. Immer ein gutes Zeichen wenn ein Lostplace nicht komplett ausgeschlachtet wurde. Kabeldiebe sind gerne die ersten vor Ort wenn ein Anwesen sein Leben aushaucht. Mein Weg führt mich voller Erwartungen in Küche. Und auch hier findet sich noch Inventar. In einem teilgefliesten Raum stehen noch alte Küchengeräte. Ein Herd sowie Kochkessel und eine Kippbratpfanne warten auf ihren nächsten Einsatz.

 

 

Vom gewölbten Flur ist die Tapete längst abgeblättert. Wo auch immer sie hin ist, auf dem Boden liegt sie rätselhafterweise nicht. Ein ebenfalls von mir sehr gemochter Zustand ist es, wenn die Gardinen noch hängen, wie in vereinzelten Räumen. Auf Lostplaces wirkt es für mich immer apokalyptisch mit einem Hauch Menschlichkeit. Ein ganz anderes Bild herrscht in dem vermeintlichen Praxisteil des Hauses. Hier ist eine Szenerie aufgebaut welche Unbehagen und Faszination gleichermaßen in mir auslöst.
Eine Krankenliege steht vor einem vergitterten Fenster. Drumherum nackter grauer Beton auf dem die Tapete nur noch zu erahnen ist. Neben der Liege hängt ein Waschbecken an der Wand, davor ein kleiner Hocker und ein einsames Paar Schuhe, als sei der Patient gerade erst erschöpft aus ihnen heraus geschlüpft. Blutrote Flecken bedecken Teile der Liege. Auf dem Wägelchen daneben ist ein Buch aufgeschlagen in denen handschriftlich Bestellungen gekritzelt sind, datiert auf das Jahr 1974.


Mein Weg führt über weiter nach oben in die zweite Etage. Ich stehe in einem holzvertäfelten Raum von denen mehrere Räume abgehen. Gerade auf dieser Etage kann man die adelige Vergangenheit des Hauses erkennen. Die feinen und detaillierten Holzarbeiten an den Wänden, der Kamin im Hauptraum oder auch der Saal mit der schönen Deckenmalerei in Form eines Sterns wirkt pompös. Durch einen fensterlosen Zwischenraum komme ich in ein Zimmer in dem mich der erste Rollstuhl erwartet. Schön vor einem Kamin positioniert, bietet es ein wunderbares Motiv.


Die dritte Etage muss als Wohnbereich genutzt worden sein. Viele kleine Räume in denen alte Bettgestelle stehen und sich im Grunde alle ähneln. Auf einem Balkon steht ein weiterer Rollstuhl. Darauf sitzend hat man einen herrlichen Blick über den ehemaligen Schlosspark, welcher heute einen eher kümmerlichen und verwahrlosten Eindruck macht.

Nachdem ich alle Zimmer erkundet habe gehe ich wieder nach unten um den Keller zu suchen. Doch viel vom Keller finde ich nicht. An zwei verschiedenen Stellen gelangt man in die kleinen Kellerräume die meines Erachtens nach nicht alles sein können. Möglicherweise habe ich den richtigen Zugang übersehen oder das Kellergeschoss ist tatsächlich nur sehr klein. Das allein motiviert mich irgendwann noch einmal dieses Anwesen zu besuchen und noch einmal genauer hin zu schauen. Für heute jedoch beende ich meine kleine Exkursion…

 

Ein Gedanke zu „Henriettes Erbe / House of Wheelchairs

  • Lula

    Very important, !!!#ilike#

    Antwort

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