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Das Wachkoma eines Kurheims

Ich muss da hin!

Ich bin mittlerweile viel im Rahmen des Urban Exploring unterwegs gewesen. Wie wahrscheinlich jeder Urbexer, klappert man zunächst die Umgebung und unmittelbaren Umkreis seines eigenen Heimatortes ab. Doch mit der Zeit weitet man seinen Umkreis aus. Als Brandenburger hat man die Qual der Wahl, was Lostplaces angeht, jedoch gibt es viele, am Bundesland angrenzende, Möglichkeiten der Erkundung, die schnell erreicht werden können. So war es nur eine Frage der Zeit bis es mich in den Harz trieb. Anstoß für diesen Lostplaces war ein Youtube-Video. Ich war sofort verliebt in diesen Lostplace und für mich stand fest: Ich muss dort hin.

Wie ich schon mal erwähnt habe, bin ich selten alleine unterwegs. Mein Kerntrüppchen besteht noch aus zwei weiteren Urbexern.
Wir untersuchten also zu dritt das Video und suchten Szene für Szene nach Hinweisen auf den Namen oder genauen Ort des Lostplaces. Das Glück war auf unserer Seite und man konnte für einen Bruchteil einer Sekunde tatsächlich den Namen sehen. Die Google-Suche tat ihr übriges.
Ja! Auch das sind wirkungsvolle Möglichkeiten der Lostplace-Suche.

Ein seltener Lostplace

Der Ort um den es hier geht ist ein wahre Perle. Es handelt sich um ein ehemaliges Kurheim welches erst seit wenigen Jahren leer steht. Die Einrichtung ist noch so gut wie komplett erhalten. Eine willkommene Abwechslung bei den oft leeren, zerstörten und beschmierten Kasernen.

Wir kommen nach einer mehrstündigen Autofahrt in ein kleines idyllisches Dörchen an. Ein paar wenige Häuser reihen sich entlang der Straße inmitten eines dichten Buchenwaldes. Der perfekte Ort für einen erholsamen Urlaub weit entfernt von der städtischen Hektik und dem Lärm.
Auf einem kleinen Hang etwas abseits vom Ort, am Rande eines Waldes steht es.  Wir sind etwas stutzig denn die Gegend sieht nicht sehr verlassen aus. Im Gegenteil: Während wir uns vorsichtig umsehen laufen Wanderer an uns vorbei. Eine Familie kommt mit Koffer aus einem Nachbarhaus
, begrüßt uns freundlich und packt das Auto voll.
Wir warten bis sie fertig sind und schauen uns in der Zeit ein wenig um. Tatsächlich entdecken wir an der Seite eines Hauses eine offene Tür. Das heißt: Sie stand nicht offen sondern lag vor dem Eingang. Wir schnappen uns unsere Sachen und schleichen durch das Gebüsch in Richtung Eingang.

Vor Dem Eingang liegt Müll. Teile von einer Badezimmer-Einrichtung und Spritzen. Viele Spritzen. Wir treten ein und sofort zieht mich die Atmosphäre in ihren Bann. Es ist etwas dunkel und es mag vielleicht etwas länger nicht sauber gemacht worden sein aber es wirkt irgendwie nicht verlassen.

Alles noch drin…


Im Erdgeschoss finden wir als erstes ein Schwimmbad. Es wirkt beeindruckend denn die Kunstblumen an den Glastüren und die Liegen machen den Eindruck, dass hier gleich jemand herein kommen könnte, um ein paar Runden zu schwimmen. Einzig die Tatsache, dass sich in dem Becken Matratzen statt Wasser befinden, lässt das Gegenteil vermuten. Naja…und der Staub.

Die nächsten Räume lassen darauf schließen, dass dieser Ort medizinisch genutzt wurde. Eine Art Empfangsbereich mit Unterlagen zu Medikamenten und diverse Verpackungen von eben jenen verstärken den Eindruck. Auch eine Sauna und eine Therapiewanne findet man hier noch.

 

In der oberen Etage befindet neben dem Haupteingangsbereich das Büro zur Anmeldung. Hier steht tatsächlich noch alles drin. Der PC,Drucker, aktenweise Unterlagen, Briefe, Software und und und. Einfach alles. Es wirkt fast so, als hätte man von heute auf morgen gesagt: „Kommt Leute! Wir gehen! Morgen machen wir gar nicht erst auf.“. Und ab da kamen nur noch Urbexer.
In einem kleinen Zimmer nebenan liegen sogar noch hunderte Postkarten. Ziemlich cool, denn auf denen sind Bilder des Kurheims aus aktiver Zeit abgebildet. Sie geben einen wunderbaren Kontrast zum heutigen Zustand.

Mein persönliches Highlight dieses Lostplaces ist allerdings der Gastronomie-Bereich. Ich habe selten einen so gut erhaltenen Ort wie diesen erforscht. Im Gastraum stehen noch die Tische. Sogar die Tischdecken sind noch drauf. Es ist noch nicht so lange her, da haben hier noch Leute gegessen. Ein Stapel Gesellschaftsspiele und die Deko ist auch noch drin. In den Schubladen befinden sich noch Teller, Gläser, Tassen und Besteck.
Und die Küche: Ich traue meinen Augen nicht. In der Küche ist auch noch alles erhalten: Pfannen, Messer, Herd und die komplette Edelstahleinrichtung steht da als könnte hier  jederzeit was leckeres gekocht werden. Wobei: Ich habe bei meinen Recherchen zu diesem Ort ein paar Bewertungen aus der aktiven Zeit gefunden, die meist das schlechte essen kritisierten. Apropos Essen, im Kühlschrank und Gefriertruhe gammeln noch ein paar
Lebensmittel vor sich hin.

Ein weiteres Highlight sind die Gästezimmer. Auch diese sehen so aus, als warteten sie auf die nächste Reinigung und den nächsten Gast. Selbst die Fernseher stehen noch drin. Keine Frage, eine Renovierung wäre hier sicherlich von Nöten aber im Großen und Ganzen ist dieser Lostplace noch extrem gut erhalten. Es war ein ganz besonderes Erlebnis hier alles zu erkunden.

Weshalb dieses Kurheim geschlossen wurde konnte ich aus diversen Unterlagen und Briefen zwar herausfinden. Es bleibt für mich jedoch unverständlich, weshalb es jetzt so vor sich hin gammeln muss. Das Erholungsheim liegt in einer schönen und ruhigen Gegend und bedient einen Teil unserer Gesellschaft, den es immer geben wird und der auch immer benötigt wird. Es ist sehr sehr Schade und ich hoffe das dieses Haus bald eine neue Bestimmung bekommt.

 

Hier die gesamte Bilder-Serie von meinem Besuch 2017.

 

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Ich freue mich von euch zu hören (bzw. zu lesen).

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